Der Käfig des Mister Dewar

Manche Dinge lassen einen einfach nicht los!  Ich hatte Anfang/ Mitte der neunziger Jahre über die Historie sowohl des Border als auch des Fife berichtet und dabei den Dewar-Käfig, also den britischen Ausstellungskäfig dieser beiden Rassen, erwähnt.  Ich wurde dann auch mehrfach gefragt, was denn der Begriff "Dewar" bedeutet und konnte immer nur die stereotype Antwort geben, dass es sich hierbei um den Namen des Käfigerbauers handelt.

Ich versuchte nun mehr über diesen Mr. DEWAR herauszufinden und bemühte die vorhandene Fachliteratur sowie meine englischen Zuchtfreunde.  Aber zu unserer großen Überraschung gaben die uns zur Verfügung stehenden Quellen nichts her, es gab keine Fundstellen bezüglich des Käfigs und seines Erbauers.  Dies veranlasste mich, meinen Freund Roy STRINGER, damals Redakteur bei der Fachzeitschrift "Cage & Aviary Birds", zu bitten, einen Aufruf an die Leserschaft zwecks Informationssuche zu starten. Ich erhielt eine Menge Post und konnte aufgrund der mir mitgeteilten Details im "Kanarienfreund" 24/1996 einen Abriss hinsichtlich der Entstehung des Borderkäfigs (der dann später von den Fife-Züchtern übernommen wurde) erstellen. Allerdings blieb die Person des "Erfinders", bis auf die Tatsache, dass er in Edinburgh gelebt hatte, weitestgehend im Dunkeln.

Ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, in diesem Thema weiterzukommen, bis ich 1997 in Mainz die schottischen Zuchtfreunde Jim STEWART und Andy GARVIE kennen lernte.  Dr. Dietmar STEINMETZ hatte sie eingeladen, in der Spezialschau für die britischen Positurrassen Border, Fife und Scotch (Motto: Form, Figur und Bewegung) die Border zu richten.  Wir kamen bei der Bewertung ins Gespräch und ich berichtete über den Stand meiner Bemühungen.  Beide versuchten nun ihrerseits an weitere Informationen zu kommen und Jim kontaktierte die Zentralbibliothek in Edinbilrgh. Dort war man sehr hilfreich und ich erhielt Auszüge aus alten "Post Office Directories" und Zeitungsberichten, die mir bezüglich zeitlicher Daten, Personen- und Ortsangaben sehr weiterhalfen. Ich war nun in der Lage, über Internet Details bezüglich des Stammbaums der Familie DEWAR zu recherchieren und letztendlich fand ich auf diesem Wege einen Artikel über den Käfigerbauer James Fouester DEWAR in den "Scottish Poultry News" vom 28. September 1923. Und damit hatte sich der Kreis geschlossen.

Hier nun die Geschichte des James F. DEWAR und des nach ihm benannten Käfigs.

Der Border, der seinen Namen im Jahre 1890 erhalten hat, wurde in den ersten Jahren im Scotch Fancy Schaukäfig ausgestellt. Diese Käfige waren (und sind es heute noch) kleine Kunstwerke, das Oberteil wurde zum Teil aus Messingdraht geformt, der Boden aus Edelhölzern erstellt, die dann mit Intarsien oder Perlmutteinlagen verziert wurden. Die Borderzüchter übernahmen diesen Käfig, verzichteten aber auf jedwede Verzierung und strichen den Käfig komplett schwarz. Obwohl man sich auf ein Grundmuster verständigt hatte, fielen die Käfige sehr unterschiedlich in den Maßen aus und waren aufgrund ihrer Bauart relativ schwer.

Anfang der 1930er Jahre tauchten auf einmal Borderkäfige auf, die in den Abmessungen kleiner und optisch gefälliger waren. Sie hatten auch im Vergleich zu den bisherigen Käfigen eine engere Tür und waren von leichter Bauart. Ein erheblicher Vorteil wenn man bedenkt, dass in dieser Zeit die Käfige (meist in einer Transportbox zu viert) meilenweit zu Fuß oder per Rad zum nächsten Bahnhof transportiert werden mussten. Der Bahntransport war häufig die einzige Möglichkeit, die Vögel zur Schau zu bringen. Darüber hinaus sparte das geringere Gewicht Frachtkosten.

Ein Augenzeuge (Sam ELLIOT) erinnerte sich, dass er die ersten dieser Käfige im Jahre 1931 oder 1932 in einer Schau in Newcastle gesehen hat. Sie fanden dann auch schnell Anklang in der Züchterschaft - obwohl sie nicht billig waren, 5/6d (27 pence) waren seinerzeit viel Geld. Schnell sprach sich herum, dass ein gewisser Mr. DEWAR aus der schottischen Hauptstadt Edinburgh diesen neuen Käfigtyp gebaut hatte. Als dann das "Border Council" einen Standardschaukäfig für ihre Rasse suchte, erhielt die Käfigzeichnung von DEWAR den Zuschlag.

 

Wer war nun James Forrester DEWAR?

Er wurde als drittes von acht Kindern der Eltern John Farquharson DEWAR und Janet P. FORREST am 10.09.1857 geboren. Sein Vater hatte 1855 unter der Firmierung John F. DEWAR ein Zoogeschäft eröffnet und der Sohn wurde praktisch zwischen lebenden Tieren, Futtermitteln und Zoobedarf groß, was ihn auch für sein weiteres Leben geprägt hat. Der Laden wechselte mehrfach seinen Standort und als er dann 1887 in die 2, Patrick Square umzog, formierte er unter dem Namen James F. DEWAR. Werbeanzeigen und ein Bericht in "Scotland Todav" aus dem Jahre 1890 lassen erkennen, dass er ein kleines Imperium aufgebaut hatte. Als Geschäftsfelder werden angegeben: Importeur und Händler von Papageien, exotischen Vögeln und Kanarien aller Art, Tierpräparationen, Herstellung von Käfigen und Volieren (auch Maßanfertigungen), Importeur von Sämereien und sämtlichem Zubehör. Das Geschäft expandierte derart, dass er den Laden seines Bruders in der Elm Row aufkaufte, um dort unter anderem seine Futtervorräte zu lagern.

Einblick in die Persönlichkeit von James F. DEWAR gibt der Artikel "The Father of the Scottish Bird Fancv" in den vorstehend erwähnten Ausführungen in den "Scottish Poultrv News" (1923). Er war die Antriebsfeder für die Vogelzucht in Schottland, die ziemlich am Boden lag und war der erste, der nach Belgien reiste, um dort Belgische Bult zu erwerben. Diese Vögel wurden von den Glasgow Den Züchtern in Schottland heiß begehrt und es wurden stattliche Preise gezahlt. Er war so hoch angesehen, dass ihn sowohl die Vogelvereinigung in Gent als auch in Antwerpen zum Präsidenten wählte, Überhaupt muss er gute Verbindungen ins Ausland gehabt haben, denn in seinen Verkaufsanzeigen tauchen Spezialitäten wie deutsche Gesangskanarien, liederpfeifende Dompfaffen und russische Stieglitze auf. Er hat, den Aufzeichnungen zufolge, mehr ausländische und einheimische Vögel gehalten, als jemals eine bekannte Person vor ihm. Daneben war er ein Spezialist für Mischlinge und Bastarde. Alle diese Kenntnisse ließen ihn auch zu einem gefragten Zuchtrichter worden.

Mr. DEWAR war auch viele Jahre Sekretär der "Scottish Metropolitan Ornithological Association" und er wurde Sekretär der ersten "National Show" in Edinburgh.  Dies war auch die Initialzündung für die Gründung der "Scottish National", die bis zum heutigen Tage existiert.  Sein erfülltes Leben endete am 12. 11. 1941

 

Schlussbemerkung:

Ich bin froh, dass es mir nach fast zehnjähriger (unterbrochener) Recherche gelungen ist, diesen Beitrag über einen begnadeten Vogelliebhaber zu schreiben. Seine Käfigentwicklung, die auch seinen Namen trägt, hat nun mehr als 75 fahre Bestand. Allerdings hätte ich diese Zeilen nie zu Papier bringen können, wenn ich nicht fachkundige Unterstützung gehabt hätte. Aus diesem Grunde möchte ich mich herzlich bei folgenden Personen (in alphabetischer Reihenfolge) bedanken:

Alistair Wm. DEWAR, Sam ELLIOT, Andy GARVIE, William GIBSON, Reuben B. GIRLING, George C. HALL, Tish HARNETT, Bob HODGES, Frank MEADEN, Charlv NORFIELD, Frank SAVAGE, Jim STEWART, Roy STRINGER.

                                                                                                            Werner Kolter Bergisch Gladbach