England – National 2002

 

Nachdem ich die National bereits in 2 verschiedenen Jahren zuvor besucht habe, durfte ich die englische Meisterschaft der Vogelzüchter in Birmingham 2002 aus einer etwas anderen Sicht erleben. Ein ganz besonderes Erlebnis war sie für meinen Zuchtfreund Werner Kolter.

Im Sommer rief er mich an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, ihn nach Birmingham in Mittelengland zur National zu begleiten. Er sei als einer der Preisrichter für Fife Fancy eingeladen worden. Spontan sagte ich zu. Danach kam mir die Idee, mich als Zuträger zu bewerben. Ich rief meinen Freund Tish Harnett an. Dieser sagte mir zu, sich darum zu kümmern. Ein paar Tage später hatte ich die Zusage.

Am Freitag, den 29.11.02 fuhren Werner und ich nach Calais zur Fährstation. Die Fahrt verlief ohne Probleme, ebenso das Übersetzen nach Dover. Von Dover fuhren wir nach Birmingham. Um ca. 17 Uhr englischer Zeit (eine Stunde zurück) erreichten wir unser Hotel in der Nähe des Flughafens und des NEC (National Exhibition Center = modernes Messezentrum mit mehreren Ausstellungshallen) in Birmingham.

Die National wird schon seit einigen Jahren im NEC in der Industriestadt Birmingham in Mittelengland ausgerichtet. Ausrichter ist die Vogelzeitung „Cage & Aviary Birds“. Termin der Ausstellung ist in der Regel das erste Wochenende im Dezember.

Am Freitag werden die Ausstellungsvögel eingeliefert. Das Richten der Vögel erfolgt am Samstag von 8.30 Uhr bis 14.00 Uhr. Danach ist die Ausstellung für Besucher bis 18.00 Uhr und am Sonntag bis 17.00 Uhr geöffnet. Nach 17.00 Uhr werden die Vögel von den Züchtern abgeholt (Auslieferung). Insgesamt ist dies eine sehr kurze Schaudauer für die Ausstellungsvögel.

Preis- oder Zuchtrichter bei der National zu sein ist eine ganz besondere Ehre und Auszeichnung zugleich. Wie sicherlich viele wissen, ist die Kanarienzucht in England etwas anders organisiert als in Deutschland. Der Verband spielt keine so große Rolle. Das ist unter anderem auch der Grund, dass die größte britische Vogelzeitung - sie erscheint wöchentlich im gewöhnlichen Tageszeitungsformat - diese Veranstaltung organisiert. Die Preisrichter werden von den Spezial-Clubs der einzelnen Rassen vorgeschlagen. So gibt es zur Zeit 19 Fife-Spezial-Clubs, 23 Border-Spezial-Clubs, etliche für Norwich, Yorkshire, Lizard etc.

Werner Kolter ist seit vielen Jahren Mitglied im „North of England Fife Fancy Canary Club“ und im „Kent & Sussex Fife Fancy Canary Club“ und auch seit einigen Jahren offiziell anerkannter Fife-Spezialrichtet (panel judge). Er hat auch auf verschiedenen Fife-Spezialschauen in England gerichtet. Und dies offenbar so gut, dass mehrere Spezial-Clubs ihn für die National vorgeschlagen haben.

Auch die Stewards werden in der Regel von den Spezial-Clubs gestellt.

 

Das Richten der Vögel

Samstagmorgen um 8.00 Uhr war Preisrichterbesprechung. Viele Preisrichter zeigten mit dem Tragen von Anzug und Schlips, dass die National zu richten für sie eine besondere Auszeichnung ist. Sie bekamen die Listen der Schauklassen (siehe auch unten), die sie zu bewerten hatten. Eine geringe Aufwandsentschädigung sowie Gutscheine für den Ausstellungskatalog, ein Mittagessen und freien Eintritt an beiden Schautagen erhielten sie auch. Mit „enjoy the show“ schloss der Schaumanager die Vorbesprechung.

Ich war als Steward (Zuträger) in der Fife-Sektion eingeteilt.

Der Chef-Steward der Fife-Konkurrenz, ein begeisterter Zebrafinkenzüchter (wegen der Neutralität), begrüßte mich freundlich. Er hatte mich dem bekannten Fife-Züchter und Preisrichter Terry Kelly zugeteilt. Der zweite Steward war David Lumsden, Sohn des berühmten „Vater“ des Fife - Walter Lumsden.

Terry Kelly begann wie die übrigen 6 anderen Fife-Richter in der Selling-class.

In der Selling-class können Züchter Vögel zum Verkauf anbieten. Die Vögel werden von dem Veranstalter zu einem vorher vereinbarten Preis zum Kauf angeboten. Hauptsächlich Festlandeuropäer nutzen die Möglichkeiten des Kaufs von Vögeln aus der Selling-class.

Danach richteten die Preisrichter die Vögel der Champion-Ausstellerklasse.

In England gibt es 3 Ausstellerklassen: Junior, Novice und Champion. Die Junior-Klasse ist Nachwuchszüchtern im Kindes- und jugendlichen Alter vorbehalten.

Erwachsene beginnen als Aussteller zunächst in der Novice-Klasse. Nach 2 Jahren kommen sie in die Champion-Klasse. Durch das Beginnen in der Novice-Klasse haben die Anfänger größere Chancen auf Schauklassengewinne, als wenn sie von Anfang an gegen Champions konkurrieren müssten.

Terry Kelly und die anderen Preisrichter richteten alle ca. 10 Klassen der Fife, insgesamt jeder ungefähr 200 Vögel. Die Vögel werden auf ein Regal in Augenhöhe des Judges (Preisrichter) gestellt.

Dieser sucht nun die besten 7 Vögel pro Klasse aus und legt die Plazierungen von 1 bis 7 fest. Ein Steward klebt die Plazierungskarten fest, der zweite schreibt die Käfignummern der plazierten Vögel in die Klassenliste.

Einige Klassen sind bis zu 40 oder 50 Vögel groß. Mancher gute Vogel kommt nicht in die „Karten“, d. h. nicht unter die ersten sieben.

Sowohl beim Zutragen als auch beim Wegtragen wird der Käfig unten angefasst. Behutsam und ruhig wird er zum Bewertungsregal getragen. Der Vogel soll keinesfalls verunsichert werden.

Der Vorteil gegenüber unserem Käfig ist, dass der englische „Dewar“-Käfig wesentlich leichter ist (ca. 1/3 des Gewichts). Schubladen kennt er nicht. Der Boden wird mit leichten Haferspelzen bedeckt

In der Champion-Klasse bei den gelb intensiven Weibchen dieses Jahres (clear yellow hen unflighted) bestach eine Henne durch ihre Schönheit. Sie schien das lebendig gewordene Standardbild zu sein. (Das Standardbild (s. neben) weicht von unserem Standardbild ab. Es wurde von dem in Deutschland lebenden Bill Everett gemalt.)

Auf jeden Fall ist solch ein Vogel eine sehr große Ausnahme!

Nach den Champion-Klassen wurden die Klassen der Novicen gerichtet.

Als alle Klassensieger feststanden, wurden diese in ein abgesperrtes Karrée gebracht.

Nun ermittelten die Preisrichter folgende Sieger:

1. Sieger Champion Altvögel (flighted)

1. Sieger Champion Jungvögel (unflighted)

1. Sieger Champion

1. Sieger Novice Altvögel (flighted)

1. Sieger Novice Jungvögel (unflighted)

1. Sieger Novice

1. Sieger weißgrundige Vögel

und zum Abschluss

1., 2. und 3. Sieger Fife

Erster Sieger wurde die oben beschriebene Henne. Bei den anderen Kanarienrassen wurde analog verfahren.

In der Zwischenzeit war der Händlerteil der Ausstellung sowie die Selling-class für Besucher geöffnet worden. Die Ausstellungsvögel waren jedoch durch Absperrgitter noch von der Besichtigung ausgeschlossen. Einige Besucher betrachteten aus der Ferne die Auswahl der Sieger der einzelnen Rassen.

Nun kamen alle Rassesieger der Kanarien, die besten überjährigen Vögel, die besten Champion-, Novice- und Junior-Vögel sowie die besten weißgrundigen Vögel in ein Karrée. Von jeder Rasse dazu ein Preisrichter. Es folgte die Auswahl 1. Sieger Champion, Novice und Junior und 1. Sieger weißgrundige Vögel.

Der Höhepunkt war das Aussuchen des besten Kanarienvogels aus dem Kreis der Rassesieger. Die Spannung war nun sehr groß. Jeder Preisrichter legte seine Reihenfolge fest. Diese wurden von dem Show-Manager und seinen Assistenten ausgewertet. Bester Kanarienvogel wurde ein Gloster Corona, 2. Sieger ein Norwich und 3. Sieger die Fife-Section-Siegerin.

Abschließend konkurrierte der Gloster mit den Gesamtsiegern der Sparten Wellensittiche, Großsittiche, Waldvögel, Mischlinge, Exoten und Weichfresser um den Titel „Bester Vogel der Schau“. Auch diesen Titel errang der Gloster.

Die ganze Bewertung geschah unter Zeitdruck, ab 14 Uhr konnten auch die Ausstellungsvögel besichtigt werden. Innerhalb von wenigen Stunden (8.30 bis 14.00 Uhr) wurden die Sieger gekürt. Da keine Vögel „gepunktet“ werden, ist dies mit versierten und erfahrenen Preisrichtern möglich.

 

Die Ausstellung

Die Ausstellungshalle war in 2 Abschnitte gegliedert. Die eine Hälfte der Fläche war mit den Ausstellungsvögeln belegt, den anderen Teil teilten sich Händler und Spezial-Clubs.

Neben diversen Artikeln zur Vogelzucht und -haltung boten einige Händler auch Kanarien, Sittiche und exotische Vögel an. An anderen Ständen wurden Porzellan und Souvenirs angeboten. Ein Buchladen verkaufte neue und antiquarische Bücher zum Thema Vogelzucht und Tierhaltung. Andere offerierten Bilder und Gemälde mit Tiermotiven.

Eine sehr große Voliere mit Papageien lockte insbesondere Kinder an. Sie konnten sogar in die Voliere hineingehen. Dort wurde auch eine Papageiendressur vorgeführt.

Viele Spezial-Clubs hatten eigene Stände und verkauften Jahrbücher, Anstecknadeln, Standards etc. und verteilten Informationen.

In 2002 wurden ca. 6900 Vögel bei der National ausgestellt. Die Kanariensparte war wie gewöhnlich mit Abstand die größte. Den Samstagnachmittag und den Sonntag nutzte ich zum Betrachten der Ausstellungsvögel. Ab 14 Uhr war der Katalog erhältlich. Dieser enthielt nur die Ausstellernamen. An den Käfigen sind lediglich die Nummern angebracht sowie die Plazierungen ersichtlich. Ohne Katalog erfährt man nicht, wem welcher Vogel gehört. Die Schauergebnisse wurden in der auf die Schau folgenden Ausgabe der Cage Birds abgedruckt.

Nachdem ich in der Fife-Section alles mitbekommen hatte, sah ich mir nun zunächst die Vögel der Border-Section genau an. Gesamtsieger war ein grün gescheckter schimmel Hahn von Phil Warne. Fast alle Vögel beeindruckten durch hervorragendes Gefieder und brillante Farben sowie exzellentes Schautraining - nahezu in Vollendung.

Sehr gute Rassevertreter waren auch in den Norwich-, Yorkshire-, Lizard-, Fife- und Gloster-Schauklassen zu finden. Immer sehr gut eingewöhnte Vögel mit hervorragendem Gefieder.

Die Anzahl der Crest-Vögel war sehr gering. Dafür entschädigten sie aber durch die gute bis sehr gute Qualität.

Lancashire standen nur wenige in Konkurrenz und auch ihre Qualität ließ teils zu wünschen übrig. Wenige Scotch und Bossu Belge wurden ausgestellt. Raza Espanola, Japan Hoso und frisierte Kanarienrassen kennt man kaum.

Dafür sind die irischen Nationalvögel (Irish Fancy) mittlerweile sehr populär. 100 Vögel wurden in der Champion-Klasse gezeigt. Aber keine in der Novice-Kasse. Es sind muntere „Gesellen“, besonders der Gesamtsieger war ein sehr schöner Vogel mit top Gefieder und guter Farbe.

Auch die Gruppe der Farbenkanarien war klein (ca. 150). Wenige gute Rassevertreter waren darunter. In England dürfen auch noch Lipochromvögel mit Melaninflecken ausgestellt werden.

Staffordshire gleichen unserer Deutschen Haube sehr. Die Haubenform soll jedoch mehr einer Gloster-Haube ähneln. Außerdem sind sie nur in rotgrundig (erblich) zugelassen.

Bei den Waldvögeln dominierten die Grünfinken. Sehr große und kompakte Vögel sind das Ergebnis jahrzehntelanger Selektion und Zucht. Stieglitze, Dompfaff, Birkenzeisige (versch. Unterarten: Cabaret, Flammea, Grönland BZ) in guter Anzahl mit schönen Artvertretern. Afrikanische Girlitze, asiatische Gimpel und südamerikanische Zeisige habe ich kaum gesehen.

Die Mischlingsklassen wurden von Norwichmischlingen dominiert. Grünfink x Norwich, Dompfaff-, Erlenzeisig- und Stieglitz x Norwich, alle farbgefüttert, sind mir aufgefallen. Ein Vergnügen für Mischlingszüchter! Sehr schöne Stieglitz-, Hänfling- und Birkenzeisig x Dompfaff sowie Kreuzschnabelmischlinge rundeten die Klasse ab.

Die in Deutschland bekannten Exoten sieht man auch auf der National. Dazu kommen noch zahlreiche Weichfresser, u. a. auch ein Balistar, sowie verschiedene Kolibris. Die Schaukäfige sind zum Teil zu kleinen Biotopen ausgestattet. Leider fehlten an den Käfigen und im Katalog die genauen Artbezeichnungen. Und ohne Bestimmungsbuch war man dann leider „aufgeschmissen“.

„Highlight“ bei den Kolibris war ein etwa hummelgroßes Exemplar, das während des Schwirrflugs seine Kehlfarbe wechselte - sehr faszinierend!

Die National ist immer noch eine Reise wert!

Auch über die Gründung eines Spezial-Clubs für Border und/oder Fife wurde unter den deutschen Besuchern laut nachgedacht. Die maßgeblichen Initiatoren konnten sich auch nach gutem Zureden noch nicht einigen. Aber es besteht grundsätzlich noch Hoffnung.

(Anm.: Mittlerweile ist die Gründung eines »Border- und Fife-Club Deutschland« beschlossen worden. Genaue Informationen werden noch im Vogelfreund veröffentlicht.)

Mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen traten Werner und ich am späten Sonntagnachmittag die Heimreise an.

                                                                                                                        Arno Hof, Dornburg